Tiefrote Zahlen: Nintendo in der Krise?

Nintendo war die letzten Jahre eher erfolgsverwöhnt. Wii und DS verkauften sich wie geschnitten Brot und bescherten dem japanischen Konsolenhersteller hohe Gewinne und steigende Aktienkurse. Bereits seit einiger Zeit war absehbar, dass die Kurve sich für Nintendo wieder nach unten bewegt. Der Nintendo 3DS konnte sich nicht erwartungsgemäß verkaufen, weshalb Nintendo gezwungen war den Preis Anfang August – also nicht einmal ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung des Handhelds – zu senken. Dazu kommen die Rückläufigen Verkaufzahlen von Wii und DS. Die am Donnerstag veröffentlichte Bilanz für das erste Geschäftshalbahr 2012 (1. April bis 30. September 2011) zeigt nun wie stark Nintendo mit den schwachen Zahlen zu kämpfen hat. Befindet sich das Traditionsunternehmen in einer Krise?

Die Zahlen sprechen für sich. Statt des erwarteten Nettoverlusts in Höhe von maximal 35 Milliarden Yen, betrug dieser 70,3 Milliarden Yen (circa 665 Millionen Euro) und war damit etwa doppelt so hoch. Gleichzeitig brach der Umsatz um 40,6 Prozent ein. Nintendo sah sich deshalb auch gezwungen die Umsatzprogonose für das laufende Geschäftsjahr von 900 Milliarden Yen auf 790 Milliarden Yen zu senken. Dass sich solche Zahlen nicht gut auf den sowieso schon niedrigen Aktienkurs auswirken dürften, sollte klar sein. Doch was genau bedeutet dies für Nintendo?

Schon als Nintendo Anfang August bekannt gab den Preis des 3DS zu senken und damit indirekt den Kritikern Recht gab, die den Preis von Anfang an als zu hoch angesehen hatten, kamen erste Fusions und Übernahmegerüchte auf. Diese sind gewiss nicht neu, immerhin hatte Nintendo auch am Ende der letzten beiden Konsolengenerationen stark zu kämpfen und auch damals kamen bereits ähnliche Spekulationen auf. Trotzdem sollten sie nicht völlig ignoriert und als unsinnig abgetan werden. Eine Übernahme Nintendos ist durch den niedrigen Aktienkurs so günstig wie schon lange nicht mehr. Potenzielle Kandidaten gibt es vermeintlichen Experten zufolge genügend. So zeigte sich Microsoft schon in der Vergangenheit interessiert an einer Nintendo-Übernahme, während Fusions-Gerüchte zwischen Nintendo und Sega auch nicht neu sind. Google und Apple hingegen sind neu. Beide hätten aber genügend Eigenkapital, um einen solchen Kauf zu stemmen. Realistisch sind diese Spekulationen aber trotz der aktuellen Schwäche von Nintendo nicht wirklich. Gerade durch die Wii– und DS-Erfolge der vergangenen Jahre dürfte der Mario-Konzern einige finanzielle Mittel in der Hinterhand haben. Dazu kommt die einfache Tatsache, dass es sich bei Nintendo um ein japanisches Traditions-Unternehmen handelt, weshalb der Kauf durch einen nicht-japanischen Partner als noch unwahrscheinlicher anzusehen ist.

Aber ist Nintendo überhaupt stark genug, um die aktuelle finanzielle Krise (oder Durststrecke, für all jene, denen das Wort Krise noch zu weit geht)? Theoretisch schon. Wie bereits erwähnt, dürfte Nintendo aus den bisherigen Erfolgen von Wii und DS zehren können. Und diese sind nicht unbedingt gering. Aktuellen Zahlen zufolge hat sich die Wii mit über 89 Millionen verkauften Geräten schon seit längerem zur erfolgreichsten Nintendo-Heimkonsole gemausert. Der DS übertrifft diese Zahl sogar noch und nähert sich mittlerweile der 150 Millionen-Marke. Damit liegt der Handheld nur knapp unter der zirka 153 Millionen Mal verkauften Playstation 2. Der 3DS konnte sich zwar in den ersten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahres öfters als der DS verkaufen, kommt aber erst auf 6,68 Millionen verkauften Geräte. Damit liegt der 3D-Handheld unter den Erwartungen von Nintendo, aber ein wenig über den Schätzungen vieler anderer.

Hilfreich für Nintendo könnte das anstehende Weihnachtsgeschäft sein. Mit The Legend of Zelda: Skyward Sword bekommt die Wii einen letzten großen Hit und auch der 3DS kann auf die ersten beiden großen Nintendo-Eigenmarken zusteuern. Super Mario 3D Land und Mario Kart 7 dürften für eine Verbesserung bei den Absätzen der aktuellen Mobilen-Spieleplattform von Nintendo sorgen. Ob die beiden Spiele aber als echte Systemseller taugen, muss sich erst noch zeigen. Immerhin stehen auch für 2012 noch ein paar namenhafte Spiele an und Nintendo kündigte mit Fire Emblem und Mario Tennis zwei weitere Ableger eigener Reihen an. Dazu kommt die Schiebe-Pad-Erweiterung, die viele Fans eher skeptisch betrachten, und das erste dafür entwickelte Spiel Monster Hunter 3G. Außerdem hat sich Nintendo den vierten Teil der gerade in Japan sehr beliebten und wichtigen Capcom-Serie exklusiv für den 3DS gesichert. Während der 3DS im nächsten Jahr dank entsprechender Software durchaus noch in der Lage ist, das eigene Potenzial auszubauen, verhält sich dies bei DS und Wii anders. Der DS befindet sich klar an seinem Ende und nach den letzten großen Hits wie zum Beispiel Professor Layton und der Ruf des Phantoms im November dürfte kaum noch etwas für den Doppelbildschirm erscheinen. Die Wii bekommt hingegen zumindest in Europa noch zwei mögliche Hits: The Last Story und Pandora’s Tower. Das Problem dabei ist aber, dass beide Spiele eher eine kleine Gruppe von Spielern anspricht und nicht den großen Kern. Deshalb ist es eher unwahrscheinlich, dass die Wii-Verkäufe beim Release der beiden noch einmal anziehen.

Einige werden sicher schon darauf gewartet haben, wann sie Erwähnung findet: die Wii U. Nintendos nächster Streich kommt auch 2012 und dürfte sicherlich die große Hoffnung auf eine Rückkehr zum Erfolg der Wii sein. Doch bisher zeichnet sich nicht ab, dass dies auch genauso eintritt. Nintendo hat erst kürzlich bekanntgegeben, dass die Präsentation der finalen Hardware-Version der Wii U auf der E3 2012 stattfindet. Damit ist ein Release der Konsole vor Juni 2012 ausgeschlossen. Wer die Videospiel-Branche etwas kennt, kommt schnell auf den Gedanken, dass ein Sommer-Launch für eine neue Konsole eher unwahrscheinlich ist. Vor September 2012 dürfte also nicht mit dem Wii-Nachfolger zu rechnen sein. Dadurch erscheinen die Fehler, die Nintendo bei der Ankündigung der neuen Konsolen begangen hat, noch etwas größer. Welche Fehler gemeint sind? Der erste war die Ende April erfolgte Ankündigung, auf der E3 den Wii-Nachfolger zu zeigen. Das steigerte zwar die Vorfreude und Erwartungshaltung von Spielern und Presse auf die E3-Pressekonferenz von Nintendo, sorgte aber auch dafür, dass die große Überraschung ausblieb. Viel mehr wartete jeder auf den Moment in dem Nintendo endlich die Wii U enthüllt. Dieses Wissen um die Ankündigung nahm der ganzen Veranstaltung einen gewissen Reiz. Der viel größere Fehler – den Nintendo vor einiger Zeit indirekt sogar bestätigte – war die Präsentation und Ankündigung der Wii U auf der E3. Nintendo war im Zugzwang und entschied sich für eine vorzeitige Vorstellung. Besser wäre es gewesen noch zu warten. Eine Enthüllung der Konsole hätte schließlich entweder bei einer eigenen Veranstaltung Ende 2011 oder noch besser Anfang 2012 oder sogar auf der Games Developers Conference im Februar erfolgen können. Vielleicht wäre es sogar die beste Lösung gewesen bis zur E3 2012 zu warten und dann direkt sämtliche Fakten, fertige Spiele, Termin und Preis zu nennen. Ob Nintendo letztlich durch die zu frühe Ankündigung ein Schaden entsteht, ist aber ungewisse und lässt sich auch in Zukunft nie wirklich feststellen. Positiv ist aber, dass Nintendo sich trotz der frühen Ankündigung offenbar nicht gezwungen sieht die Wii U möglichst bald auf den Markt zu bringen, wie es beim 3DS offenbar noch der Fall war. Dadurch dürfte die kommende Heimkonsole bei der Veröffentlichung wesentlich fertiger wirken, als der 3D-Handheld.

Sicher dürfte aber sein, dass Nintendo zur Zeit mit großen Problemen zu kämpfen hat, die das Unternehmen in Gefahr bringen. Ein Untergang des Mario-Konzerns sehe ich persönlich aber als unwahrscheinlich an. Eben auch wegen der erwähnten Erfolge von Wii und DS. Fest steht – meiner Ansicht nach – aber auch, dass Nintendo an diese Zahlen nicht mehr anknüpfen kann. Egal ob mit Wii und DS oder den Nachfolgern Wii U und 3DS. Das liegt auch am mittlerweile gesättigten Casual-Markt, der nur bedingtes Interesse an neuen Geräten hat. Dazu kommen die neuen Abschreckungs-Faktoren. Das sind beim 3DS der 3D-Effekt, der gerade vielen Eltern die Sorge bereitet, die Augen ihres Kindes könnten darunter leiden. Bei der Wii U ist dies der für viele normale Menschen eher ungewöhnliche und vielleicht sogar als unpraktisch angesehene Tablet-Controller der Wii U.

Wie Nintendo sich selbst aus dem Tief zieht, zeigt erst die Zukunft. Das Weihnachtsgeschäft könnte etwas Beruhigung in die tiefroten Zahlen bringen und wenn das japanische Traditions-Unternehmen schlau agiert und die wenigen noch kommenden Wii-Hits gut platziert, dürfte auch die wahrscheinlich längere Wartezeit auf die Wii U noch zu überbrücken sein. Der 3DS hingegen braucht dringend Spiele wie die bald erscheinenden Super Mario 3D Land und Mario Kart 7. Erst wenn diese beiden und weitere Spiele ihrer Art längere Zeit auf dem Markt sind lässt sich sagen, ob der 3D-Handheld ein Flop für Nintendo ist. Die Konkurrenz nähert sich aber gerade auf dem Handheld-Markt in Form der PS Vita, wie ihr in meiner gestrigen Kolumne nachlesen könnt. Ein Vorteil des 3DS dürfte hier aber klar sein, dass bereits der DS im Vergleich zur PSP bewiesen hat, welche Spiele eher für unterwegs geeignet sind. Auch dieser Aspekt dürfte für den Erfolg des 3DS und den Kampf um die Marktanteile wichtig sein.

Bleibt noch die abschließende Frage nach eurer Meinung. Seht ihr die Zukunft von Nintendo eher positiv, negativ oder neutral? Glaubt ihr der Mario-Konzern schafft es 3DS und Wii U wieder zu einem großen Erfolg zu führen? Was sollte Nintendo vielleicht auch anders machen?

Screenshots (Wii und DS-Spiele Weihnachtsgeschäft 2011)

5 Kommentare zu „Tiefrote Zahlen: Nintendo in der Krise?“

  1. Ich muss mich erst einmal für den Bericht bedanken, viele nützliche Informationen habe ich daraus ziehen können 😉

    Meiner Meinung nach liegt die “Krise” vor allem im Software-Angebot begründet… egal ob auf Wii, DS oder gerade dem 3DS: seitens Nintendo sind es einfach zu wenige System-Seller-Spiele gewesen, sagen wir wie es ist.

    Trotzdem sehe ich wieder gute Zeiten auf Nintendo zukommen, spätestens zum Launch der Wii U, Durststrecken kennt jedes Unternehmen, es kann nicht immer bergauf gehen.

  2. Sehr schöner Artikel, Alex! Ich sehe es wie unser Profi da oben: Durststrecke geht vorbei. Und ich glaube, dass der 3DS erfolgreicher sein wird als die Vita. Spätestens wenn Nintendo zum Vita-Launch anbieten würde, seinen DS in Zahlung zu geben und dafür noch günstiger einen 3DS zu erstehen, könnte Sony einpacken.

  3. Ok, du hast recht, den schwankenden Yen-Kurs habe ich leider vergessen zu erwähnen. Sorry dafür.
    ein Grund für die schlechten Zahlen ist dieser mit Sicherheit, aber ich denke nicht, dass der Anteil allzu groß ausfällt. Die schlechten Zahlen von Wii und DS sowie der 3DS-Fehlstart haben doch weit mehr dazu beigetragen.

  4. Hui, was für ein Roman. Aber sehr gut und treffend beschrieben.
    Ja, wir befinden uns mal wieder in einer Übergangsphase: Wenige Softwarehits, Umsatzeinbußen etc. Aber keine Sorge, die mäßigen N64 und Gamecube-Erfolge hat Nintendo auch überstanden.
    Ich muß noch Xenoblade zu Ende bringen und danach kommt Zelda. Zwar diesmal mit wenig Hype, aber mit viel Spielspaß. Ich mache mir da keine allzu großen Sorgen.

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