Ok, was haben die denn jetzt schon wieder vor, werdet ihr fragen. Wir sind doch Spieler, was wollen wir da im Kino? Auf dem Weg dorthin läuft man ja Gefahr, mit Tageslicht in Berührung zu kommen. Oder gar mit anderen Menschen … brrrr. Doch keine Sorge, wir verlassen den Bereich unserer Kernkompetenz nicht ohne Grund, und auch wenn es in den folgenden Zeilen ausnahmsweise mal nicht um Spiele, sondern die große Leinwand geht, so haben wir doch eine gute Begründung dafür. Aber lest weiter…
Wenn es um unser aller Hobby geht, dann beklagen viele Spieler seit Jahren die selbe Entwicklung, die es auch schon seit den Anfängen der Musik- und Filmbranche gibt. Sobald ein Werk Erfolg hat, fängt es an zu wachsen. Es wird größer und größer, erreicht mehr Menschen, alles wird teurer und lauter und am Ende ist das eigentlich tolle Werk gar nicht mehr so toll, sondern nur noch Kommerz. So geht das ständig. Hat eine Band Erfolg und wird einem größeren Publikum bekannt, wenden sich hartgesottene Fans ab, denn der einstige Liebling ist ja jetzt total kommerziell. Und schält sich ein Indie-Regiesseur wie Christopher Nolan aus der Masse heraus und liefert der Welt einen Film wie Inception, bleiben auch hier die Nörgler nicht fern, die schließlich genau wissen, dass der Film ja gar nicht so clever ist wie alle tun, total kommerziell und vor allem mainstream! In der Spielebranche ist diese Symbiose aus Erfolg und Abneigung schon lange zu erkennen. Marken werden immer erfolgreicher, die ganze Branche wächst extrem und gleichzeitig werden die Publisher immer böser, der ganze Markt immer undankbarer und überhaupt war früher alles besser. Über Wahrheit oder Unwahrheit dieser Zeilen soll an dieser Stelle überhaupt nicht sinniert werden, vielmehr über einen damit einhergehenden Trend. Immer mehr Spieler suchen nach kleinen Independent-Titeln, Perlen abseits des Weges, die für wenig Geld, dafür mit viel Leidenschaft entwickelt wurden. Spielen, denen man ansieht, dass sie die Handschrift begeisterter Macher tragen.
So, und was hat das Ganze jetzt mit Filmen zu tun? Ganz einfach, morgen, am 12.01.12, startet in den deutschen Kinos ein interessanter Film, der von einem kleinen Team, mit wenig Geld, viel Leidenschaft und vor allem „independent“ produziert wurde. Ein Film, bei dem lange Zeit gar nicht klar war, ob er überhaupt realisiert werden könnte, geschweige denn den Weg ins Kino findet. Dabei ist vor allem die Machart dieses Streifens so bemerkenswert, dass wir einen kleinen Exkurs wagen wollen.
Markus Notch Persson hat es mit seinem Minecraft erst vor kurzem vorgemacht. Schon der Entstehungsprozess eines Spiels kann ein weltweites Spektakel sein, wenn man alle Karten offenlegt und die Community bereits früh einbezieht. Regisseur Tom Bohn (u.a. div. Tatorte, Straight Shooter) tat es ihm gleich und setzte Mitte 2010 einen Blog ins Internet, der sein Vorhaben, einen Kinofilm namens Reality XL zu produzieren, akribisch dokumentierte. Da ohne die finanzielle Unterstützung einer Landesmedienförderung gedreht werden sollte, kündigte Bohn kurzerhand seine Lebensversicherung und stellte sich mit seinem Skript, seiner Berufserfahrung und einem finanziellen Backup von etwa 50.000€ sozusagen allein gegen den Rest der Welt. Reality XL sollte ein Mystery-Thriller mit SiFi-Elementen werden, also ein Stoff, den man typischerweise nicht aus deutschen Produktionshäusern geliefert bekommt. Für die Rollen konnten unter anderem Heiner Lauterbach und Max Tidof gewonnen werden, gedreht wurde 15 Tage lang in Bayern. Und immer dabei: Die Community, die über alle Prozesse bei der Entstehung des Films per Blog auf dem Laufenden gehalten wurde. Und das war nicht nur für Filmemacher interessant, Bohn skizzierte auf seiner Reise durch die Indie-Produktionslandschaft einen entblößenden Querschnitt der deutschen Filmbranche, die lieber auf bewährte Themen, Stoffe oder gleich Fortsetzungen setzt – natürlich stets gefördert mit Bundesmitteln. Das ist in Hollywood sicher nicht viel anders (naja, ein Stück weit schon) und wer Parallelen zur heutigen Spielebranche sieht, muss ebenfalls nicht als Visionär zum Neurologen. Umso interessanter, dass Bohn und sein Team es letztlich geschafft haben, knapp ein Jahr nach Drehbeginn ihren Streifen in die deutschen Kinos zu bekommen – wenn auch ohne Verleih, denn die Herrschaften haben das Kind kurzerhand selbst geschaukelt und neben der Produktion auch den bundesweiten Vertrieb übernommen. Und genau deshalb muss dieser Film auch im Kino angeschaut werden! Nicht weil wir hier für Werbung bezahlt werden (würden wir gerne), auch nicht, weil wir Reality XL schon gesehen hätten und inhaltlich eine Empfehlung aussprechen könnten, sondern einfach nur, weil der Mut, gegen den Strom zu schwimmen und ein Projekt bis zum Schluss durchzuziehen, belohnt werden sollte. Wer also zur Fraktion derer gehört, die mit schöner Regelmäßigkeit über die Massenschändung von Celluloid im Mainstreamkino nörgeln, der hat ab sofort die Gelegenheit in einem Kino seines Vertrauens ein kleines Zeichen zu setzen.
Ich werde das ebenfalls tun. Vielleicht erwartet mich ein erfrischend guter Streifen. Vielleicht auch Grütze. Doch in jedem Fall handelt es sich um einen mutigen Film und ich bin höchst gewillt, mich auf dieses Experiment einzulassen. Also dann: Auf ins Kino!
“Auf dem Weg dorthin läuft man ja Gefahr, mit Tageslicht in Berührung zu kommen.”
Hammer Satz!!! 😀
“Indie-Regiesseur wie Christopher Nolan”
Wut?
Die Geschichte hinter der Produktion erinnert mich an Red State…
Ich denke ich werde dem Film mal eine chance geben.
Na aber auf jeden Fall. Was glaubst du, wie der angefangen hat. Mit kleinen, britischen Thrillern in schwarz-weiß. Heute trifft das sicher nicht mehr auf ihn zu, doch vor seiner Hollywoodzeit umso mehr.
Die meisten beginnen klein, aber allerspätestens nach dem ersten Batmanfilm ist die Aussage doch lächerlich
Natürlich ist die Aussage heute lächerlich, du hast mich aber auch falsch verstanden – oder ich habe mich missverständlich ausgedrückt. Ich meinte, dass sich Nolan als Indie-Regisseur aus der Masse herausgeschält hat. So wie’s da auch steht. Indie war er zu Zeiten von Following und Memento, mehr oder weniger auch bei Insomnia noch, obwohl er dort schon große Namen bekam. Diese Filme empfahlen ihn dann für Batman und spätestens ab diesem Film war er natürlich nicht mehr independent. Ich hätte vermutlich ehemaliger Indie-Regisseur schreiben sollen, dann wäre es deutlicher.
PS. Und nein, bei weitem nicht alle haben Indie angefangen. Viele große Namen kommen etwa aus der Musikvideo- und Werbefilmbranche oder sind mittlerweile die Nachkommen anderer großer Namen. Ein Michael Bay oder Zack Snyder haben sicherlich zu keiner Zeit nennenswert als Indie-Regisseure gearbeitet.
Okay, ich verstehe worauf du hinauswillst, seh das zwar nicht so is aber oke 😉