Im Test: Men of War: Red Tide (PC)

Etwas Verwirrung machte sich schon breit, als kürzlich mit Red Tide das allein lauffähige Add-On zum Strategietitel Men of War bei uns eintrudelte. Irgendwie kam das Spiel so merkwürdig vertraut vor. Und tatsächlich: Ursprünglich erschien das Weltkriegs-Strategiespiel bereits 2009, allerdings nie auf Deutsch und hierzulande nur über Steam. Bei der 2011er Variante handelt es sich daher um dasselbe Spiel, lokalisiert und in leicht veränderter Verpackung. Lohnt sich der Kauf?

Also nochmal zum Mitschreiben: Das ursprüngliche Men of War erschien im Mai 2009 – auch bei uns. Dessen Add-On Red Tide daraufhin im November 2009 – allerdings nicht bei uns, bzw. nur auf Englisch über Steam. Erst jetzt, gut anderthalb Jahre später findet der Titel seinen Weg in die hiesigen Händlerregale, nur kurz bevor mit Men of War: Assault Squad Ende Juni der aktuellste Teil der Reihe erschien. Und mit Men of War – Vietnam steht im September auch schon das nächste Kapitel bevor. Da die von unterschiedlichen Publishern vertriebene Reihe je nach Region auch noch andere Verpackungscover hat, ist das Durcheinander perfekt. Wer da auf Anhieb durchsteigt, bekommt von uns ein Güteklasse-A-Siegel aufgedrückt.

Doch zurück zu Red Tide. 2009 entpuppte sich das Spiel als beinharte Realismus-Strategie für Profis. Wer nicht vor dem ausgelutschten Setting zurückschreckte, bekam echte Taktik in abwechslungsreichen Missionen, gegen die ein Company of Heroes wie Fast Food wirkte.
Ein Beispiel gefällig? Aber bitte: Men of War: Red Tide übergibt euch in jeder Mission das Kommando über diverse Infanterie- und Fahrzeugdivisionen, einen klassischen Basisbau gibt es nicht. Während in anderen Strategiespielen per Mausklick lediglich bestimmt wird, WO die Einheiten hin marschieren sollen, spielt in Red Tide bereits das WIE eine große Rolle. Soldaten können kriechen oder stürmen (was selten klug ist), sich Feuerschutz geben oder jedes beliebige, herumstehende Fahrzeug benutzen. Jede Einheit verfügt über ein eigenes Inventar und kann individuell mit Ausrüstung und Waffen bestückt werden. Die wahren Dimensionen dieses Mikromanagements offenbaren sich erst, wenn man mal mit 50 Soldaten an drei Fronten gleichzeitig kämpft. Wer seine Truppen zuvor nicht perfekt individualisiert und positioniert hat, wird schneller draufgehen, als er „Call of Duty ist ja viel einfacher“ sagen kann. Apropos Call of Duty, wer gerade nicht in kommandierender Funktion benötigt wird, der kann auch jederzeit in die serientypische Direct-Action-View wechseln und damit die Kontrolle einer beliebigen Einheit aus der Egoperspektive übernehmen. Leider zielt es sich per Maus etwas schwammig, vermutlich, damit das Spiel nicht zum Shooter mutiert. Zudem verhält sich die KI äußerst clever, lange sollten die Truppen also nicht unbeaufsichtigt bleiben. So nehmen die Computergegner etwa feindliche Stellungen ein, besetzen ausgeräucherte MG-Nester neu, werfen sich in Deckung oder zerstören ihrerseits unsere Schutzwälle.

Insgesamt bietet das Add-On 23 neue Missionen, die eine breite Palette unterschiedlicher Herausforderungen bieten. So müssen wir einmal in einer gewaltigen Massenschlacht Stück für Stück eine feindliche Stellung einnehmen, in der nächsten Mission dagegen uns mit einem kleinen Soldatentrupp möglichst unbemerkt an den feindlichen Linien vorbeischleichen. Oft liegt die Wahl des richtigen Vorgehens sogar in unserer Hand und es führen mehrere Wege zum Ziel. Das Spiel teilt sich dabei in drei Kampagnen auf, sodass ihr wahlweise in der Rolle der Alliierten, der Deutschen oder der Sowjetunion unterwegs seid. Um sich ein wenig aus den gängigen Klischees zu flüchten, verlegt Red Tide dabei seinen Schwerpunkt nicht auf den westlichen Befreiungskampf, sondern den Krieg im Osten und stellt die Schwarzmeerküste als Hauptschauplatz in den Vordergrund.

Komplex, taktisch, fordernd. Bis hierhin klingt Red Tide nach einer runden Sache. Leider haben die Entwickler auch eine ganze Reihe an Fehlern übernommen, an denen bereits das Hauptspiel krankte. Größtes Problem ist dabei die Wegfindung der eigenen Einheiten. Nicht immer gelingt es den Kameraden, Häuser, Zäune oder Wasser zu umlaufen. Auch so manches, freistehendes Haus wurde von unseren Panzern unnötig plattgemacht. Leider stehen auch die zahlreichen Automatismen, die das Spiel eigentlich erleichtern sollen, dem gezielten Mikromanagement manchmal im Weg. So wechselt die KI je nach Gutdünken selbstständig zwischen stehen und kriechen, auch wenn wir das vielleicht gar nicht wollen. Dies sorgt umso mehr dafür, dass wir sämtliche, der gut 100 unterschiedlichen Einheitentypen immer genau im Auge behalten müssen.
Grafisch war Men of War: Red Tide schon 2009 nicht mehr ganz auf der Höhe und ist über die Jahre auch nicht hübscher geworden. Explosions- und Raucheffekte sehen gut aus, Texturen oder der allgemeine Detailgrad der Einheiten fallen dagegen deutlich ab. Auch die Soundeffekte klingen etwas zu steril. So fehlt es dem MG-Feuer auf weiter Flur ein wenig an natürlichem Hall, viele Sounds klingen (zu) sauber und rein. Die Musik – wenn vorhanden – plätschert nüchtern vor sich hin, die Synchronsprecher (sowohl auf Deutsch, als auch Englisch) machen ihren Job im Schnitt ok.

Fazit

Für unter 20 Euro erhält man bei Men of War: Red Tide ein umfangreiches Paket anspruchsvoller Strategie. Obwohl mir kaum ein Szenario so zum Hals heraushängt, wie der zweite Weltkrieg, und Grafik, Sound und Steuerung Schwächen zeigen, hat mir das Spiel dennoch viel Spaß gemacht. Obwohl – oder vielleicht sogar weil es so sauschwer ist. Wie beim ultraharten Klassiker Commandos muss ich doch jeden virtuellen Tod zähneknirschend auf meine eigene Kappe nehmen, weil ich meine Truppen nicht perfekt aufgestellt oder noch nicht die optimale Taktik herausgefunden hatte. Und da in fairen Abständen automatisch gespeichert wird, zwingt mich mein Ehrgeiz dazu weiterzumachen. Wem das zu anstrengend ist – absolut verständlich. Wer jedoch auf echte Herausforderung steht und Strategie mit massivem Tiefgang sucht, bekommt hier viel Spiel für wenig Geld.

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