Bitte nicht noch mehr rosa Schrott

Dank der neusten Studie des BIU wissen wir: Frauen machen nicht nur die Hälfte der Weltbevölkerung aus, sondern auch fast 50% der Gamer-Gemeinde in Deutschland und den USA. Das scheint doch leider nicht bei jedem angekommen zu sein, denn anstatt spielerische Gleichberechtigung gibt es nur eine Menge rosa Plastik und virtuelle Welpen …

Das Jahresende rückt immer näher und wie jedes Jahr beglücken uns Statistiken mit jeder Menge neuer Zahlen zu den unterschiedlichsten Themen. Besonders interessant für uns als Gamer sind natürlich die Studien des Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e. V. (BIU). Dieser hat nun die neusten Entwicklungen über Gaming in good old Germany veröffentlicht. Das Klischee vom ledigen, jungen, männlichen Gamer ist passé, neue Zeiten sind angebrochen! 23 Millionen regelmäßige Zocker zählt BIU in Deutschland – darunter fast 10 Millionen Frauen.

Eigentlich sollte das für mich als eine der rund 44% also ein Grund zur Freude sein, denn immerhin ist es ein Schritt in Richtung spielerischer Gleichberechtigung, nicht wahr? Es sollte bedeuten, dass ich mir vielleicht nicht auf jeder zweiten Gaming-Veranstaltung, die ich besuche, den scherzhaften, aber über die Jahre sehr ausgeleierten Spruch „Oh, du bist Gamer? Aber du bist doch ein Mädchen!“ drücken lassen muss. Eigentlich sollte ich mich freuen. Warum schaffe ich es aber nicht? Schuld ist dieser kleine Absatz:

Die Frauen haben in der Gamer-Community in den vergangenen Jahren deutlich aufgeholt. Maßgeblich dazu beigetragen haben die neuen Bewegungs-, Musik- und Tanzspiele, die verstärkt auch weibliche Zielgruppen ansprechen. Darüber hinaus liegen vor allem Spiele, die direkt im Browser oder in sozialen Netzwerken wie Facebook gespielt werden, im Trend bei den Frauen.

Das Hauptproblem, dass ich mit diesem Absatz habe und warum ich diesen Artikel überhaupt schreibe ist, dass die Videospieleindustrie solche Aussagen auf eine sehr klischeehafte Art und Weise deutet und umsetzt. Mehr weibliche Gamer heißt für Publisher und Entwickler, dass wir mehr „weibliche“ Spiele brauchen und natürlich auch entsprechende Peripherie. Am besten alles mit viel rosa weil Frauen das ja mögen und offenbar keine Gegenstände kaufen, die eine andere Farbe haben. Bitte versteht mich nicht falsch: ich habe nichts gegen Casual- oder Browsergames. Nur weil etwas nicht mein Fall ist, heißt das nicht, dass ich ihm keine Existenzberechtigung zuschreibe. Ganz ehrlich: ich freue mich über jede „Einstiegsdroge“, die jemanden zum Gamer macht – egal ob Mann oder Frau und egal welches noch so kleine Spiel es ist. Solange es jemanden überzeugen kann, dass die gängigen Klischees, die diesem Hobby stellenweise noch immer angedichtet werden, unwahr sind, freue ich mich darüber.

Aber es schlägt mir auf den Magen, dass weibliche Zocker oft nur mit Casual Games, Tanzspielen & Co in Verbindung gebracht werden und das Marketing einiger Publisher voll und ganz darauf abzielt. Nehmen wir als Beispiel Nintendo. Seit ich eine Wii besitze, bin ich angemeldet im Nintendo Club. Dort habe ich angegeben, dass meine favorisierten Genre Action, Adventure und Shooter wären. Die wenigen Spiele, die ich registrierte, hatten die beiden Wörtchen „Resident“ und „Evil“ im Titel. Die einzigen Newsletter, die ich aber je bekommen habe, waren das Gesuch nach „Deutschlands fittester Job-Mom“ und eine Menge Werbung für Welpen-, Babysitting- und Kochspiele. Konnte ich beim ersten Mal noch darüber lachen, verging es mir doch leicht nach der vierten Mail und endgültig. Spätestens als ich meine Einstellungen überprüfte und feststellte, dass ich nichts angegeben hatte, was mir Werbung dieser Art bescheren sollte, war der Spaß vorbei. Nur mein Geschlecht, das mir offenbar laut Nintendo vorschreibt, dass die einzigen Adventures, die ich zu erleben habe, aus dem virtuellen Wechseln von Windeln bestehen sollte. Sind wir doch mal ehrlich. Wie viele von den männlichen Gamern, die das hier gerade lesen, haben diese Werbung bekommen?

Ja, ich bin weiblich, aber wenn es ums Spielen geht, dann bin ich vor allem eines: ein Gamer. Ich bin kein Gamer-Girl und ich will keine Extrabehandlung in Sachen Spiele oder Konsolen. Und ich will verdammt nochmal nicht alles in Rosa! Es ist mir in der Tat egal, welche Farbe mein PS3 Controller hat und nur weil irgendein Genie auf die Idee kommt, ihn pink einzufärben, wird es kaum mehr Frauen vor die Konsolen ziehen. Ich will das, was jeder Spieler will: großartige Spiele, in denen mein Geschlecht entweder gar keine Rolle spielt bzw. kein oder zumindest gleichberechtigter Sexismus herrscht:

Zwei Punkte, die viele Frauen abschreckt Spiele jenseits des Casual-Bereichs auszutesten, ist die Tatsache, dass einmal das Marketing häufig sehr männerorientiert ist und es zweitens noch immer an der Darstellung interessanter, weiblicher Hauptcharaktere scheitert. Wer nun einwirft, dass das Marketing aus dem Grund eine entsprechende Orientierung hat, weil Männer sich nun mal mehr für Spiele interessieren, der sollte sich die Statistik von der BIU noch einmal ansehen. Das Interesse am Hobby Gaming ist bei beiden Geschlechtern fast ausgewogen vorhanden. Weibliche Gamer auf ihr Geschlecht zu reduzieren anstatt auf ihre Interessen ist eine Entscheidung, die irgendwo zwischen naiv und schlichtweg dumm anzusiedeln ist. Indem ich meine Interessen klar definiert habe, hätte ich es Nintendo nicht einfacher machen können. Doch anstatt mich über Resident Evil: The Mercenaries in Kenntnis zu setzen, wird mir doch lieber das neue Nintendogs angeboten. Liebes Nintendo, so funktioniert Marketing nicht.

Anstatt aber nur zu meckern, möchte ich auch mal mit einem positiven Beispiel daherkommen, wer dieses Problem verstanden hat und dem bequemen Trott entgegenwirkt: BioWare. Auch wenn die optische Darstellung von Charakteren wie Jack, Miranda oder Samara aus Mass Effect 2 eine potenzielle Angriffsfläche bietet, hat das Entwicklerstudio aus Kanada ein meines Erachtens nach gut durchdachtes Frauenbild, das sowohl Männer als auch Frauen anspricht. Nicht nur, dass es taffe Kämpferinnen in allen Spielen präsentiert, die noch dazu zum großen Teil echte Rüstungen tragen anstatt Kampf-Bikinis, die Charaktere sind so gut ausgearbeitet, dass ihre Handlungsweisen gut nachvollziehbar oder zumindest realistisch sind. Selbst eine Figur wie Isabella aus Dragon Age 2, die in anderen Spielen für hochgezogene Augenbrauen sorgen könnte, besitzt eine so facettenreiche und interessante Persönlichkeit, die das Auftreten in den Hintergrund drängt. Hinzu kommt, dass Spiele wie Dragon Age und Mass Effect Spielern die Möglichkeit geben, ihr Geschlecht selbst auszusuchen, ohne dass es Einfluss auf die Haupthandlung hat oder Einschränkungen auftreten. Mittlerweile ist BioWare sogar soweit, dass das Marketing zu Mass Effect 3 sich nicht nur auf die männliche Version der Hauptfigur beschränkt, sondern ebenfalls die weibliche Commander Shepard in den Fokus rückt. War das nun so schwer?

In meinem Freundeskreis gibt es viele weibliche Gamer. Ich würde sogar sagen, dass ich mehr Frauen kenne, die spielen, als Männer. Da ich für eine Videospieleseite schreibe, dürft ihr euch ausrechnen, was das bedeutet. Sie spielen World of Warcraft, Star Wars: Old Republic, Left 4 Dead, Tekken, Call of Duty, Skyrim, Bioshock, you name it. Und ja, auch Farmville oder Doodle Jump sind dabei. Kurz: Sie spielen alles, was sie interessiert. Ich weiß nicht warum, aber es wird erwartet, dass weibliche Gamer anders sind als männliche Gamer. Dass wir an anderen Spielen Spaß haben, dass unsere Konsolen anders aussehen müssen und weiß der Teufel was noch. Nichts könnte viel ferner von der Wahrheit sein. Alles, was wir wollen, sind gute Spiele und eine faire Behandlung, die sich nicht auf das beschränkt, was wir unter dem T-Shirt haben. Das und bitte nicht noch mehr rosa Schrott.

11 Kommentare zu „Bitte nicht noch mehr rosa Schrott“

  1. “Die Frauen haben in der Gamer-Community in den vergangenen Jahren deutlich aufgeholt. Maßgeblich dazu beigetragen haben die neuen Bewegungs-, Musik- und Tanzspiele, die verstärkt auch weibliche Zielgruppen ansprechen. Darüber hinaus liegen vor allem Spiele, die direkt im Browser oder in sozialen Netzwerken wie Facebook gespielt werden, im Trend bei den Frauen. ”

    Also für so falsch halte ich diesen Absatz jetzt aber auch nicht. Klar gibt es sehr viele Frauen, die sich in ihrer Herangehensweise ans Gaming überhaupt nicht von Männern unterscheiden. Aber ich bezweifle sehr stark, dass in dieser Statistik die weiblichen Gamer auch nur annähernd auf einen 40-50% Anteil kämen, wenn sich nicht ein großer Markt für Casual-Games gebildet hätte in den vergangenen Jahren.

    Über “Hardcore”-Gamer scheint die Studie ja rein gar nichts auszusagen. Wenn selbst Leute, die irgendwelche Browserspiele auf Facebook spielen, hier zu den “Gamern” gezählt werden, dann wundert es mich auch nicht, dass die Statistik am Ende so ausgeglichen ausfällt.

  2. Ich denke schon dass Frauen grundsätzlich einen anderen Geschmack bei Games haben als Männer – wie auch in den meisten anderen Bereichen der Unterhaltungsmedien. Kann schon sein, dass du Mädls kennst, die COD und Left4Dead spielen, aber die sind mit ziemlicher Sicherheit eine sehr abgegrenzte Minderheit. Mir is glaub ich noch nie in COD, Battlefield & Co eine Frau im VC begegnet. Und das is ja auch gut so.

    Dass Frauen von der Industrie nach wie vor vernachlässigt werden und mit billigem Casual-Müll abgefertigt werden liegt auch vermutlich daran, dass es (im Westen) einfach zu wenige Frauen gibt, die ernsthaft zocken. Das is einfach (noch) kein Markt für Multi-Millionen-Dollar Produktionen. Da lässt sich mit Dance-Dance-Sims-Singstar nun mal mehr Kohle mit weniger Aufwand verdienen.

    Mädchen sind nun mal Mädchen.

  3. Ich kann deine Frustration durchaus nachvollziehen.
    Andererseits kann man männliche und weibliche Gamer nicht einfach auf die selbe Marketing-Schiene legen. Zum einen sind Frauen von Natur aus weniger kompetitiv veranlagt (tendenziös, nicht generell), zum anderen finden sich grade unter den weiblichen Casuals, die Nintendo klar anspricht, eben mehr Leute, die sich eher für ein rosa Pferdespiel entscheiden als für ein Resident Evil. Das “Süß und ohne Kämpfen/verlieren”-Prinzip sehe ich in meinem Umfeld fast ausschließlich bei weiblichen Gelegenheitsspielern. Die Hardcore-Gamerinnen suchen zuerst nach guten Spielen, das Setting kommt danach. Entsprechend wird auch das Marketing betrieben. Unter den Hardcores finden sich diese Unterschiede seltener. Denen ist es dann auch meistens egal, ob sie einen Mann oder eine Frau spielen, solange das Spiel gut ist.

  4. Es gibt wirklich nur sehr wenige “echte” weibliche Spieler die ich kenne. Nämlich zwei. Und eine davon ist meine Schwester! Alle anderen sind entweder Partygängerinnen oder Hausfrauen.

    Hingegen kann ich von jeder 2. männlichen Person (die ich kenne) sagen, dass sie viel Zeit mit Fifa, Battlefield oder Skyrim verbringen, seien es jüngere oder ältere Erwachsene.

    Andererseits kenne ich auch kaum jemanden, der eine Wii besitzt. Trotzdem ist es die erfolgreichste Konsole dieser Generation.

  5. Schöner Artikel, Rae! Auch ich finde, dass es in Sachen Marketing an der Zeit ist, ein bisschen umzudenken. Das Gameruniversum wurde durch Knuffi- und Casualtitel für Frauen erschlossen, die sich sonst nur drüber aufregen, dass ihr Partner die ganze Zeit zockt.
    Ich selbst kenne einige Spielerinnen außerhalb der Casualecke und ich finde es gut, dass diese Grenze so langsam verschwindet. Geht sogar schon soweit, dass die Freundin von einem Kumpel im Nebenzimmer Uncharted 3 zockt, während wir im Wohnzimmer uns einem gepflegten Fifa-Turnierchen widmen. Find ich super – is besser als getrenntes Fernsehen 😉

    Bedenklich finde ich nur diesen Satz von Kimokima:

    Kimokima:
    Mir is glaub ich noch nie in COD, Battlefield & Co eine Frau im VC begegnet. Und das is ja auch gut so.

    Bitte was???? Wieso ist das gut so???? Findst das net e bissel verstaubt?
    Ich hab vier Jahre America´s Army im Clan gespielt. Über die Hälfte der Zeit hatten wir ein Mädel dabei. Die hatte 1. eine wahnsinnige Fragrate und 2. war die echt witzig. So why not?
    Wenn wir bei einem Freund hin und wieder mal ne LAN veranstalten, spielt seine Schwester auch mit. Mit Vorlieben COD. Wasn da dran schlimm?

  6. Schon gut. Hab auch bemerkt dass der erste Absatz in meinem Post etwas mißverständslich ist, aber leider gibt’s hier keinen Edit-Button.

    Was ich meine ist, dass ich es gut finde dass es Frauen-Spiele und Männer-Spiele gibt. Ich sehe daher auch keinen Grund klassische Männer-Spiele “frauengerechter” zu gestalten.

  7. Mein erster Gedanke ohne den Artikel richtig gelesen zu haben ging auch direkt Richtung Nintendo Wii, Sing und Tanzspiele. Wenn dann noch die Browsergames von facebook dazu kommen, dann versteht man die Statistik, die meines Erachtens dann aber voll für den Arsch ist. Ich denke bei den “richtigen” Games überwiegen immernoch ganz klar die Männer. Was aber auch ok ist, denn so bleiben die Controller wenigstens schwarz und nicht rosa. Und die Frauen die jetzt gerne gute Spiele spielen, werden es auch weiterhin tun und sich nicht mit Welpenanimationen umstimmen lassen. Schlimm fände ich es nur, wenn sich die Singstar fans Gamer nennen würden ^^

  8. Natürlich gibt es immer Spiele, die ein Geschlecht mehr ansprechen, als das Andere. Jedoch lässt sich das Ganze heute nicht mehr so schwarzweiß sehen, wie noch vor ein paar Jahren. Viele Spiele sprechen durch ihr Gameplay beide Geschlechter an. Nehmen wir beispielsweise Skyrim, Fallout 3 oder eben die BioWare Spiele. Left 4 Dead hat eine enorm große weibliche Fangemeinde, was viele darauf schieben, dass der kommunikative Aspekt, den Frauen ja so gerne mögen (hust), hervorgehoben wird und man als Team spielt, anstatt gegeneinander.

    Durch Casual Games wurde der Markt für Leute (männlich UND weiblich) erschossen, die vorher vielleicht gar nicht spielten. Es wäre nun eigentlich marketingtechnisch sinnvoll, das auszunutzen und zu zeigen, was für Spiele es noch gibt, die allen Spaß machen können oder sie ansprechen. Wenn Leute Spaß an Casual Games haben, dann ist schon damit zu rechnen, dass sie auch Spaß an “richtigen” Spielen finden können, komplett Geschlechter unabhängig. Der Markt ist da, das Interesse ist da, nur sollten die Marketingabteilungen das auch mal einsehen und nutzen, anstatt es dann (wie Nintendo) total zu verbocken oder zu ignorieren.

    Warum ihr kaum oder selten Frauen im VC trefft hat ebenfalls Gründe. Abgesehen davon, dass auch nicht jeder männliche Spieler groß Lust hat beim zocken zu quatschen, müssen sich Frauen, wenn sie sich online beim Spielen “outen” jede Menge Scheiße anhören. Das ist einmal der Grund, warum viele geschlechtsneutrale Namen wählen und auch, warum das Mikro oft genug aus bleibt. Ganz ehrlich, stell dir vor du willst einfach nur eine Runde CoD zocken, aber ständig kriegst du blöde Sprüche gedrückt, die dir entweder sagen, dass du zurück in die Küche oder Bilder deiner Brüste schicken sollst, dann würdest du es dir auch zweimal überlegen, ob du nochmal am VC Teil nimmst oder nicht. Wenn ich CoD Team Deathmatch online spiele, dann will ich in Ruhe zocken können, ohne mir ständig blöde Anmach- oder sexistische Sprüche um die Ohren knallen zu lassen. Und für alle, die nun sagen: Is doch nur Spaß. Ja. Am Anfang vll (für die Männer), aber wenn man als Frau irgendwann gar nicht mehr in Ruhe zocken kann, dann wird es einfach nur lästig. Das ist auch der Grund warum mein Micro ausbleibt und meine ganzen Gametags neutral bis männlich sind. Wenn ich spielen will, dann will ich spielen und mir nicht zum xten mal die lahmen Beleidigungen oder Beschimpfungen anhören. Und das was ich gehört habe ist noch harmlos im Vergleich, was sich andere so anhören durfte, siehe http://fatuglyorslutty.com/

    Frauen im VC sind also kaum ein Hinweis darauf, ob sie zocken oder nicht 😉

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