Totgesagte leben länger heißt es immer. Offenbar gilt das auch generell für Tote, denn ihr startet in Electronic Arts Rollenspiel Kingdoms of Amalur: Reckoning, indem euer Hauptcharakter stirbt. Warum das Spiel in diesem Moment aber noch nicht vorbei ist und wie lebendig eure Aufgaben danach aussehen, haben wir in unserem Test zum Spiel herausgefunden. Aber lest am besten selbst.
Electronic Arts ist in erster Linie für seine voll lizensierten Sportspiele wie FIFA, Madden NFL, Tiger Woods Golf oder die NHL-Serie, bzw. für die qualitativ mal mehr, mal weniger überzeugende Need for Speed-Serie bekannt. Doch seit einiger Zeit schickt man sich an, auch in anderen Genres mit hochwertigen Entwicklungen zu glänzen. Mit Battlefield 3 und Mass Effect 3 hatte man zuletzt wirklich große Blockbuster im Angebot. Von daher ist es etwas verwunderlich, dass der aktuelle Rollenspieltitel Kingdoms of Amalur: Reckoning offenbar in Sachen Marketing nur recht geringe Beachtung fand. Umso erstaunlicher ist das, wenn man weiß, welche großen Namen in das Projekt involviert waren. Comic-Zeichner und Spawn-Erfinder Todd McFarlane gehört nämlich genauso zu den Köpfen hinter dem Spiel wie Ken Rolston (Morrowind, Oblivion) und R. A. Salvatore, der bereits die Geschichte für Spiele wie Icewind Dale und Demon Stone auf Papier brachte.
Doch starten wir nun in die Welt von Amalur. Dort herrscht Krieg zwischen drei Völkern und ihr als Protagonist werdet zu Beginn des Spiels von zwei Gnomen auf einem Leichenwagen ins Spiel gebracht. Der versuch eines Wissenschaftlers euch wieder zum Leben zu erwecken ist nämlich scheinbar nicht geglückt. Nachdem ihr nicht das erste Versuchskaninchen wart, werdet ihr achtlos auf einen Haufen mit anderen Leichen geworfen. Als sich in euren noch eben toten Gliedern mit einem Mal doch wieder das Leben regt, nimmt die Geschichte langsam ihren Lauf. Anfangs ist der Krieg zwischen den drei Völkern in Amalur dabei sicher nicht immer leicht nachzuvollziehen, da euch mit einem Mal jeder ans Leder zu wollen scheint. Im Laufe der locker 50 Stunden Spielzeit wird aber nach und nach so einiges für euch klar. Zeit solltet ihr allerdings mitbringen, wenn ihr Kingdoms of Amalur: Reckoning spielt, denn neben der Geschichte selbst gibt es noch jede Menge weitere Nebenaufgaben zu erfüllen. Diese sind in der Regel dabei recht gut in die Hauptgeschichte eingebunden und ein gutes Stück von dem entfernt, was man in anderen Rollenspielen als Sidequests kennt. Das lässt Kingdoms of Amalur: Reckoning in sich wesentlich runder und schlüssiger in dieser Beziehung wirken, da die Nebenaufgabe nicht den Anschein einer lästigen Pflicht haben, sondern willkommene Abwechslungen und Ergänzungen zum Voranschreiten in der eigentlichen Geschichte darstellen.
Rein vom Gameplay her könnte man den Titel gut als eine Mischung aus Devil May Cry mit einer Prise World of Warcraft und etwas Diablo bezeichnen. Der Fokus liegt ganz klar auf der Action im Kampf, wobei die Duelle mit anderen Kriegern, wilden Bestien und dergleichen meist nicht sonderlich anspruchsvoll geraten sind. Einsteiger werden somit nicht allzu schnell gefrustet, während sich Profis zwar mitunter ein wenig unterfordert fühlen, sich dafür aber sicherlich gerne mit dem recht ansprechend gemachten Talentbaum und der Entwicklung des eigenen Charakters befassen. Denn in Kingdoms of Amalur: Reckoning bestimmt ihr nicht gleich zu Beginn eure Klasse und damit im Prinzip euer komplettes Schicksal. Ihr wählt stattdessen nur eure Rasse und eure Religion. Alles andere wird später im Verlauf des Spiels entschieden. Dem Spiel kommt dabei zugute, dass es komplett auf ein starres Klassensystem verzichtet. Stattdessen habt ihr unterschiedliche Eigenschaften und Fähigkeiten, die ihr nach Belieben mit jedem Levelaufstieg selbst verbessern und ausbilden könnt. Ihr habt es also selbst in der Hand, ob ihr eher eure Eigenschaften als starker Krieger mit mächtigen Nahkampfwaffen, als begabter Magier mit vernichtenden Zaubern oder als flinker Assassine und Dieb, der Schlösser knackt und seine Feinde hinterrücks meuchelt, fördert. Ihr entwickelt euren Helden also nach und nach im laufenden Spiel und könnt Attribute jeweils so anpassen, wie ihr denkt.
Dazu passt es gut, dass man schon nach kurzer Spielzeit die ersten Gegenstände findet, die spezielle Eigenschaften fördern. Schnell wird klar, dass die Auswahl an Möglichkeiten hier schier unendlich scheint. Möchte ich doch eher den Bonus auf die Magie oder bleibe ich bei dem Schwert? Nehme ich lieber Pfeil und Bogen in die Hand oder schleiche ich mich von hinten an? Nahkampf oder Distanzwaffen? Offener Kampf an der Front oder schwarze Magie? Gepaart mit all den Gegenständen, die man in Kingdoms of Amalur: Reckoning finden kann, wäre alleine das überwältigen – wenn da nicht das verflixte Menü wäre. Es dauert eine Weile, bis man sich in die virtuelle Verwaltung seines Charakters eingefunden hat. Und dann stellt man fest, dass das Verwalten der einzelnen Gegenstände, das Platzieren im Müllbeutel und somit das Ausmisten des Inventars eine mittlere Katastrophe geworden ist. Umständlich und mit hohem Zeitaufwand schafft man immer wieder Platz im Inventar, müsste unzählige Male in den nächsten Laden laufen und die unnützen Items verkaufen, damit man sie nicht mitten auf dem Schlachtfeld ohne Gewinn zerstören muss. Das Spiel hat das Glück, dass es absolut fesselnd ist. Somit verzeiht man ihm auch diese Schwäche, ärgert sich aber trotzdem darüber. Abgesehen davon geht die Steuerung aber recht gut von der Hand. Die Grundbegriffe des Kampfes sind schnell gelernt, über Quick-Buttons können schnell Zaubertränke eingesetzt werden und auch die Magie ist einfach zu handhaben. Man merkt hier, dass der Titel ursprünglich mal als MMORPG geplant war, was aber im Endeffekt nicht schlecht sein muss.
Auch optisch erinnert Kingdoms of Amalur: Reckoning mitunter an die Konkurrenz aus dem Hause Activision Blizzard. Das gilt in erster Linie für die doch recht bunte Grafik, bei der wie anfangs erwähnt Comic-Ikone Todd McFarlane seine Finger mit im Spiel hatte. Alleine vom Stil her wird dies sicherlich nicht jedem gefallen. Zwar hätte man hier und da sicher gerne ein paar Details mehr gesehen, insgesamt ist das Spiel aber recht nett anzuschauen. Teils sind allerdings die Animationen ein wenig hölzern ausgefallen. Kingdoms of Amalur: Reckoning überzeugt aber immerhin mit seinen weiten Arealen, den nicht zu langen Ladezeiten und dem flüssigen Spielablauf. Die Hintergrundmusik bietet euch jeweils die passende Untermalung für die verschiedenen Locations und passt hervorragend unauffällig und doch angenehm für die Ohren ins Gesamtkonzept. Die Soundeffekte sind authentisch und meist recht passend ausgefallen. Bei den Synchronstimmen muss dagegen ein wenig gemeckert werden. Teils sind die Sprecher nicht wirklich synchron und machen nur zum Teil einen guten Job. Manch ein Sprecher wirkt nicht gerade authentisch oder so, als würde er seine Rolle glaubhaft verkörpern wollen. Somit fällt das Urteil über den technischen Aspekt des Spiels leider eher durchschnittlich aus.
Fazit (Markus/PS3)
Kingdoms of Amalur: Reckoning bringt ein wenig frischen Wind ins Genre der Rollenspiele und kann trotz seiner kleinen Schönheitsfehler gefallen. Es mag zwar nicht in jedem Punkt perfekt sein und kann im Gegensatz zu Konkurrenten wie The Elder Scrolls 5: Skyrim nicht alleine schon durch eine umwerfende Atmosphäre überzeugen, sondern wirkt technisch ein wenig altbacken. Dennoch gefällt das Spiel durch seine schnell ins Blut gehende Steuerung und die in sich geschlossen wirkende Spielwelt. Hätte man sich technisch noch mehr ins Zeug gelegt und dieses verdammte Menü anders gestaltet, wäre hier durchaus ein großer Wurf möglich gewesen. so sollten aber zumindest Genrefans auf der Suche nach Alternativen zu den großen Namen definitiv einen Blick riskieren.
Fazit (Alex/PS3)
Mir persönlich hat Kingdoms of Amalur: Reckoning ziemlich gut gefallen. Klar sind die von Markus im Artikel erwähnten Kritikpunkte nicht von der Hand zu weisen, aber nicht alle wirken sich allzu störend auf den Spielspaß aus. So hatte ich mit dem Menü schon recht früh keine Probleme mehr und auch der Grafikstil sowie die Sprachausgabe sind mir nicht wirklich sauer aufgestoßen. Gerade bei letzterem wäre mehr wünschenswert gewesen, unertragbar sind die Sprecher aber auch nicht. Insgesamt ist Kingdoms of Amalur: Reckoning durchaus gelungen und gehört zu den guten Vertretern des Genres. Dass es dabei nicht an Größen wie The Elder Scrolls 5: Skyrim, Mass Effect 3 oder auch ein Diablo herankommt, stört nicht unbedingt. Wer gerne in eine farbenfrohe Fantasywelt mit guter Atmosphäre und Story eintaucht, macht auch mit dem Rollenspiel von Bug Huge Games, 38 Studios und Electronic Arts nichts falsch.
Screenshots
Hinweis: Die Screenshots in diesem Artikel stammen von Electronic Arts.